Der Tod des Schreibtischtäters

Hans Dichand ist tot. Und vom Bundeskanzler abwärts zieht die Politprominenz in ihren Kondolenzbezeugungen dieselbe Schleimspur wie schon zu Lebzeiten. Faymann, Häupl, beide Prölls, Strache, Buchner und wie sie alle heißen huldigen dem Herausgeber der Kronen Zeitung.

Große Persönlichkeit, begnadeter Blattmacher, Gespür für politische Entwicklungen, Kunstliebhaber – mit großer Bestürzung und tiefer Trauer wird auf Dichands Ableben reagiert. Dabei war Hans Dichand vor allem eines: der klassische Schreibtischtäter.

Mit Gewerkschaftsgeldern aus der Taufe gehoben bedient die Kronen Zeitung von Anbeginn weg vor allem eines: Ressentiments. In einem Wechselspiel agiert die Kronen Zeitung gleichzeitig als Meinungsmacher und Spiegelbild der Gesellschaft – kleinbürgerlich, spießig, fremdenfeindlich, antisemitisch, die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlosend, homophob – allen voran Hans Dichand.

Stammtischparolen statt objektiver Berichterstattung. Kurze und einfache Sätze statt differenzierter Auseinandersetzung. Im Gegensatz zu all den Lobhudeleien halte ich fest – mit Ausnahme des Sportteils hat die Kronen Zeitung mit Journalismus nichts zu tun.

Hans Dichand war mit dieser Linie zu meinem Bedauern erfolgreich. Denn die Politik bedient sich der Kronen Zeitung ebenso wie die Kronen Zeitung der Politik.

Als es 1986 bei der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten darum geht mit antisemitischen Ausfällen die ÖVP zu unterstützen steht Dichand an vorderster Front. Danach wechseln die Liebkinder. Von Jörg Haider über Karl-Heinz Grasser bishin zu Werner Faymann und Michael Häupl. Zeitweise wechselt damit auch der Stil, doch seinen Grundzügen bleibt Dichand bis zum Schluss treu. Es gibt immer Sündenböcke: ausländische Kriminelle, linke Sozialschmarotzer, Gutmenschen.

Doch die Kronen Zeitung lässt sich diese Gunst bis heute teuer bezahlen. Und in der Hoffnung diese nicht zu verlieren, wird die Kronen Zeitung mittels Inseraten am Leben erhalten. Mehr als 40 Mio. Euro jährlich fließen aus Steuergeldern von Bund und Ländern, Ministerien und staatsnahen Betrieben wie der ÖBB jährlich an die Krone. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass PolitikerInnen nicht nur einmal vom Chef persönlich dazu ermahnt wurden rechtzeitig ganzseitige Inserate zu schalten.

Hans Dichand hat zweifelsfrei die letzten Jahrzehnte politisch mitgeprägt und dazu beigetragen, dass sich bestehende politische Verhältnisse nicht wirklich zum Besseren entwickeln. Weder verteilungs- noch demokratiepolitisch. Auch nicht in der Umweltpolitik. Trotz Kraftwerk Hainburg, Gentechnikvolksbegehren und schablonenhafter geheuchelter Empörung im Tierschutz steht die Kronen Zeitung immer an erster Stelle wenn es darum geht wirtschaftlich notwendige Veränderung für mehr ökologische Nachhaltigkeit zu bekämpfen.

Christoph Baumgarten titelt der Angstmacher. Gerald Bäck beschreibt in seinem blog Hans Dichand als ewig Überschätzten. Beide haben recht.  Dennoch oder gerade deshalb sind Dichand und seine Krone sind mitverantwortlich für individuelles Leid, das Menschen aus rassistischen, antisemitischen und islamophoben Gründen zugefügt wurde und wird. Sie sind mitverantwortlich für ein gesellschaftliches Klima der Unsicherheit.

Hans Dichand war ein Schreibtischtäter. Ich weine ihm keine Träne nach.

19 Antworten zu “Der Tod des Schreibtischtäters

  1. F.U.

    Ihr Grünen seit eh eine aussterbende Spezies, also still und marsch ins Hundeeck.

    • Alfred Stiglbauer

      Der Nickname sagt eh schon alles, da braucht man den Kommentar gar nicht mehr zu lesen.

      Der Führer ist übrigens schon vor 65 Jahren verkohlt (soviel zu „aussterbend“), und die Blondi hat er vorher noch vergiftet (soviel zum „Hundeeck“).

      Die Grünen sind die einzige Partei, die eine anständige Politik vertritt, und sie werden so lange nicht aussterben, so lange es noch Menschen mit Anstand und Charakter gibt.

      • Anständige Menschen, die auch bei stärkstem Gegenwind zu ihrer Gesinnung stehen.

      • Saddam Hussein

        Solche Leichenflederer haben die Chuzpe von Anstand zu reden. Und welcher Rückenwind? Der ORF?

        Gehts a bissal Kugalscheim, mia waanan eich a kaa Tränan noch.

    • Nun, lieber Martin Margulies, ich kann nicht umhin ihnen Respekt zu zollen ob ihrer wunderbaren Entlarvung der gekünstelten Ehrerweisungen der politischen Riege, die seit dem Tode Jörg Haiders offenbar Form und Schablone für derlei Anlässe gefunden und gefestigt hat. Symptomatisch ist es für Österreich, dass wir auch jene politischen Größen im Nachhinein zu etwas verklären, das sie zu Lebzeiten nicht waren; eine Haltung, die sich vielleicht daraus begründet, dass wir ganz einfach einen Mangel an politischen Größen haben und froh um jede einzelne davon sind, selbst wenn wir sie insgeheim für eine Ungröße halten.

      Symptomatisch ist jedoch auch eine ganz andere Art von Reaktion auf das Ableben von Hans Dichand, eine Art, deren Offenbarung schon nach Haiders Tod von den etablierten österreichischen Intellektuellen wie Brot an Jünger verteilt wurde, die bereits mit den Hufen scharrten und danach gierten, dass deren wortgewaltige Sprachmaschienen anlaufen und ihnen das sagen würden, was sie ohnehin schon immer gedacht hatten. Nun haben wir es in beiden Fällen – Haider und Dichand – mit Abrechnungen zu tun, die recht ähnlicher Natur sind und im Nachhinein beglichen werden müssen, weil man dies aufgrund des übermächtigen Gegners zu dessen Lebzeiten nicht konnte. Haider konnte man nie verzeihen, dass er die FPÖ zu einer im mitteleuropäischen Vergleich außergewöhnlich starken Kraft gemacht und den Wählern des rechten Spektrums eine demokratische Vertretung ihrer Interessen gegeben hatte. Dichand konnte man nie verzeihen, dass er mit seiner Zeitung oft näher an der Realität der öffentlichen Meinung war als Bronner und Partner und die Meinung einer breiten Masse Schrift werden ließ, wo man den Leuten doch selbst so gerne eine Meinung gegeben hätte. Wobei natürlich aus der Sichtweise von ihresgleichen heraus weder Haider noch Dichand Wähler bzw. Leser hatten, die sie durch ihre politische Ausrichtung schlichtweg überzeugten, sondern immer nur von jenen Unterstützung erfuhren, die sie zuvor nach rechtspopulistischer Manier „verführt“ hatten. Denn hier folgt die österreichische Linke einem demagogischen Konzept mit Tradition: gewinnen die Grünen ihre Wähler durchweg mit Argumenten, so sind es für gewöhnlich die sogenannten „Rechtspopulisten“, die ihre Wähler stets „verführt“ und „geködert“ haben müssen, was anders gar nicht sein kann. Doch weil man insgeheim den Teufel aber dann doch im Detail stecken weiß, ist der Sammelbegriff für eh alles, was der eigenen Meinung, die durch schiere Masse erdrückt wird, widerläuft, schnell zur Hand: der sogenannte Stammtisch. In ihm offenbart sich die ganze Verachtung, die man für die sogenannten einfachen Leute hegt, denen man in den alteingesessenen Feuilletons sogenannter Qualitätszeitungen noch vor dem Kulturteil seit Jahren zu sagen versucht, wie sie bei den nächsten Wahlen abzustimmen haben, die es aber immer noch nicht richtig kapieren wollen.
      Eine Verachtung, in der sich das ganze Dilemma einer Sichtweise auf die breite Masse offenbart, in dem obskuren Verlangen äußernd, eine vermeintlich nicht durch Nachdenken zustande gekommene Meinung selbiger durch eine geistig höherwertigere einer Elite der Zeitungen und Sendungen zu ersetzen; eine Meinung, deren wahren Ursprungs man sich insgeheim jedoch bewusst ist und deren Abbild man hasserfüllt in leserbriefgewordener Form im Mittelteil der Kronen Zeitung anblickt, nicht ohne beim Anblick der dilettantischen Satzfehler von Verfassern, die vermutlich noch nicht einmal einen akademischen Titel vorzuweisen haben, höhnisch die Mundwinkel zu verziehen und sich den Entwurf für den nächsten Artikel im Falter zurechtlegt, in dem die kleinbürgerliche Meinung eines Bauarbeiters oder Kochs nach allen Regeln der Wortkunst vorgeführt wird. Erhebende Momente, in denen man sich bereits vorweg des Beifalls einer journalistische Riege sicher sein kann, die sich offenbar nur mehr und ausschließlich über ein gemeinsames mediales Feindbild definiert und deren politische Meinung zum Tagesgeschehen zuallererst mit jener der Krone auf mögliche Schnittmengen abgeglichen wird, bevor sie unter dem Beifall und Schulterklopfen der alteingesessenen Kämpfer gegen Rechts hinausposauniert wird: haben wir’s ihnen mal wieder gezeigt!

      Lieber Martin Margulies, ich will trotz aller Kritik nichts verklärt wissen: die Meinung, die durch die Kronenzeitung wiedergegeben wurde, war unter Dichand nicht selten eine einseitige und reaktionäre. Dieselben Leute, die sich gestern lauthals, Religionsfreiheit einmahnend, über den europäischen Menschengerichtshof echauffierten, als dieser Kreuze aus den italienischen Klassenzimmern verbannen wollte, werden morgen als erste gegen die nächste Moschee demonstrieren. Eine Doppelmoral in höchster Vollendung.
      Und doch: so selten ich mit H. Dichand einer Meinung war, so froh war ich über das Gegengewicht, das er auf dem gehobenen politischen Parkett dargestellt hat, jenes Gegengewicht, welches er mit der Kronen Zeitung geschaffen hat. Denn im europäischen Vergleich war es unter Dichand nicht diese Zeitung, die den journalistischen Usus im politischen Denken widerspiegelte oder gar populistischen Wesens war. Die oft verkannte Wahrheit ist nämlich, dass Dichand gegen den Strom schwamm – und dass er dies in so großem Stil so erfolgreich tat, ist etwas, dass viele ihm noch Jahre nach seinem Tod nicht verzeihen werden können.
      argulies

  2. Servus Martin,
    möchte Dir zu Deinen letzten beiden Einträgen gratulieren. Kein ewiges „eat the rich“ sondern konsequente, intelligente Oppositionspolitik. Find ich gut.

  3. hallo martin!

    dein artikel fasst all meine gedanken in äußerst schlagfertige worte!

    gratuliere!

  4. Hallo Martin,
    toller Artikel, nur eine kleine Korrektur: Homophob war die Krone erstaunlicherweise lange nicht mehr. Sie war zwar zurückhaltend bis verschweigend („Regenbogenparade: Ein Fest für Junge und jung gebliebene“ z.B.), aber richtig homophobe Tiraden kamen nicht vor. Angeblich war das sogar ein Wunsch von oben. Dadfür stimmt antisemitisch, fremdenfeindlich, usw. Das wissen wir ja.

    Sehr guter Nachruf auch hier:
    http://www.zib21.com/jetztzeit/nachruf-auf-hans-dichand/

  5. @marco

    danke für die blumen – geb‘ dir recht, was das letzte jahrzehnt betrifft – bis mitte der 90er jahre war das allerdings noch ganz anders

  6. Ausgezeichneter Kommentar! Kein Verlust.

  7. Endlich mal einer, der

    a) die Wahrheit sagt und
    b) bürgerlich-reaktionären Vorurteilen und willkürlichen Normsetzungen (zB so genannte „Pietät“) eine klare Absage erteilt!

    Genialer Beitrag. Medien haben die Aufgabe, aufzuklären und kleinbürgerliche Denkweisen zu überwinden und nicht, sie auch noch zu fördern!

  8. angela stoytchev

    martin, ich unterschreibe jedes wort. danke für den super beitrag!!!
    lg
    angela

  9. danke für diesen artikel. Schreibtischtäter ist die geniale beschreibung für hans dichand, ich war sehr befremdet, dass alle sooo begeistert sind vom herausgeber des miesen blattls, das letzten endes noch mieseren blättern den weg geebnet und die journalistischen appelle an die niederen instinkte salonfähig gemacht hat. daher bin ich dem herrn eher gram, daran ändert auch sein veränderter status nichts. von wegen „de mortuis nihil nisi bene“…ha

  10. Lieber Martin!
    Man kann durchaus kritische Kommentare zu Leben und Werk von Hans Dichend veröffentlichen. Aber als Schreibtischtäter verbindet man heutzutage jene Verbrecher, die sich ihre Hände nicht schmutzig gemacht haben, und in den Amtsstuben der Nazis dafür gesorgt haben, dass hunderttausende unschuldiger Menschen zu Tode gekommen sind. Hans Dichand ist derartiges wohl sicher nicht vorzuwerfen. Gerade von Dir als grüner Gemeinderat hätte ich mir etwas mehr Sensibilität bei der Verwendung derartiger Begriffe erwartet! Unabhängig ob man Has Dichand gemocht hat oder nicht! Hier ist ein Mensch gestorben. Er hat Familie und diese trauert!

  11. Wenigstens nicht ganz so tiaf wie der edle Menschenfreund „Die-gute-Nachricht-zum-Jahresbeginn“-Genner.

  12. In Namen des untigen Personenkomitees muss ich im Falle Dichands, wie schon zuvor bei Jörg Haider, Bruno Kreisky, Buddha, Mohamed, Jesus Christus und Mutter Teresa ausdrücklich und aufs schärfste vor einer Mythenbildung warnen, die die Gefahr eines Wiedererwachens des Rassismus, Faschimus und Fussschweisses in sich bürge oder börge oder was auch immer.
    Dichand war nicht Gott, das bin ja ich.

    Das Personenkommittee

    Seine Exzellenz und (Selbst-)Herrlichkeit Univ-Prof. DrDrDrrrrr, Pelinka,
    Omo oder Dash oder so und die Bremer Stadmuzikanten,
    die Rauschers, Misiks, Menasses des Standards dieser Welt,
    Senta Berger, als die Fraun noch Schwänze trugen
    Werner Schneyder und die anonymen Alkoholiker
    Heinzi Fischer, Oberhäuptling
    Kim Il Sung, Spezzl des obigen
    und all die Millionen anderen Inkontinenzler und Bettnässer, die ihre Karrieren Mangels anderer Fähigkeiten auf die professionelle Vernaderung von Leuten, die viel wiffer sind als sie, aufbauen müssen

  13. Noch ist Hans Dichand nicht begraben, schon fallen die Grünen über ihn her. Zu Lebzeiten hättet ihr Euch allesamt in die Hosen gemacht, weil er Euch verklagt hätte. Damit zeig Ihr wieder einmal deutlich, welche Charaktereigenschaften ihr Grünen habt und daher geht es mit Eurer Partei auch ständig bergab. Die nächste Wahl, die Ihr wieder verlieren werdet, steht schon vor der Tür.

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