Die Fremdwährungskredite der Stadt Wien – Teil 2

Spekulation wider Willen – oder der Versuch einer Antwort auf viele offene Fragen

Schon im Ursprungstext gibt es diesen Zwischentitel, auch um zu verdeutlichen wie schwierig es ist richtige Entscheidungen im Falschen zu treffen. Und erfreulicher Weise gibt es zu diesem Text eine Vielzahl von Fragen und sachlichen Kommentaren. Mich freut das Niveau, auch wenn sich manche Replik durchaus kritisch mit unserer grünen Position auseinander setzt.

Vorweg möchte ich jedoch auf die Stellungnahme der Stadt Wien verweisen, die hoffentlich was Fristigkeit und Zinsen betrifft noch offene Fragen beantwortet sowie auf alwacker‘s Blog Mein Sanierungskonzept für die Stadtfinanzen, auf welchen sich ein Großteil meiner Antworten bezieht.

„Es bellt wie ein Hund, es frisst wie ein Hund, es sieht aus wie ein Hund – erklär mir bitte nicht, dies sei eine Katze“ – unlängst hab ich diesen Vergleich im Wiener Gemeinderat im Zusammenhang mit einer Debatte über Rechtsextremismus und FPÖ gebracht. Ich kann daher nachvollziehen, weshalb es schwer ist Verständnis dafür zu entwickeln, dass es sich im Umgang der Grünen mit den zu Beginn der Regierungsperiode existierenden Fremdwährungskrediten nicht um Spekulation handelt. Einen Versuch ist es mir dennoch wert.

  1. Ausgangspunkt Regierungseintritt Ende 2010: Was bis zu diesem Zeitpunkt seitens der Gemeinde Wien üblich war, ändert sich schlagartig. Gemeinsam kommen Grüne und SPÖ zu dem Schluss, dass Kreditvolumen in Schweizer Franken nicht auszuweiten. Wer lieber das halbleere Glas sieht, erkennt angesichts der wirtschaftlichen Situation in Wien wie in Österreich nicht, was dies eigentlich bedeutet. Ohne diese Vereinbarung, wären die Fremdwährungsdarlehen möglicherweise deutlich höher. Für Konjunkturprogramme, Wohnbaufinanzierung, den Anstieg an MindestsicherungsbezieherInnen, der Finanzierung des Gratiskindergartens und um den krisenbedingten Ausfall von Ertragsanteilen zu kompensieren musste Wien seit 2010 rd. 2,5 Mrd. Euro zusätzlich finanzieren.
  2. Basierend auf der für Länder und Gemeinden gültigen VRV (Voranschlags- und Rechungsabschlussverordnung) werden Kursgewinne wie Kursverluste nicht bei ihrem kursmäßigen entstehen maastrichtrelevant verbucht, sondern erst bei ihrer Realisierung. Ein kursänderungsbedingter Schuldenanstieg ist zwar in den jährlichen Rechnungsabschlüssen erkennbar ausgewiesen, allerdings gegen Inventar gebucht. Ende 2010 betrugen die Kursverluste aus den zu diesem Zeitpunkt offenen CHF-Krediten rund 260 Mio. Euro.
  3. Wien war und ist zur Einhaltung des innerösterreichischen Stabilitätspaktes verpflichtet. Was dies für Wien bedeutet, findet sich alle Jahre wieder im Anhang zum Voranschlag der Stadt Wien. Eine Drehung der CHF-Kredite in Euro hätte demnach zu jedem Zeitpunkt zu einer deutlichen Verletzung des innerösterreichischen Stabilitätspakts und damit verbundener Strafzahlungen geführt. Kurz gesagt, eine maastrichtneutrale Realisierung der Kursverluste müsste eben diese aus dem regulären Budget einsparen. Sorry, dafür kann man sich in Krisenzeiten nicht so locker aussprechen. Und ja, dies würde in doppeltem Ausmaß auch 2015 betreffen. Aber, wie schwer es ist, die Geister, die ich rief (besser gesagt schon vor Regierungseintritt gerufen wurden) auch wieder loszuwerden, beschreibt schon Goethes Zauberlehrling.
  4. 2013 beschließt Wien als erstes Bundesland das Gesetz über eine risikoaverse Finanzgebarung, infolge neue Richtlinien für das Finanzmanagement sowie 2014 eine Strategie für den Abbau der Fremdwährungsfinanzierungen. Alles Sachen, die darauf hindeuten, dass es genau darum geht Spekulation hintanzuhalten.
  5. Zumindest mir und den Grünen (ich glaube jedoch auch der SPÖ und Finanzverwaltung) geht und ging es nicht darum auf einen wiedererstarkten Euro gegenüber dem Franken zu spekulieren. Genau aus diesem Grund wurde schon vor mehr als acht Monaten beschlossen bei einem nur leichten Anstieg des Euros gegenüber dem Franken auf 1,32 sämtliche Fremdwährungskredite gänzlich in Euro umzuschulden ansonsten zwischenzeitlich Rücklagen zu bilden, umso spätestens 2016 auch zu einem für die Stadt Wien schlechteren Kurs für eine Konvertierung vorzusorgen (nachstehend ein Auszug aus der Strategie für den Abbau der Fremdwährungsfinanzierungen, welche allen Klubs am 13.5.2014 nach Vorbesprechung im Finanzausschuss übermittelt wurde).

chf-abbau

Im Nachhinein betrachtet war der Verzicht auf eine Absicherung bei 1,20 tatsächlich ein Fehler. Dies im Nachhinein festzustellen ist allerdings deutlich einfacher als noch zu Beginn dieses Jahres, wo nicht nur die Stadt Wien, sondern wohl ein Großteil aller (auch selbsternannten) Finanzexperten von einem Festhalten der SNB am Mindestkurs ausging.

Möglicherweise erklärt alldies auch wieso selbst im Finanzausschuss vom 19.1.2015 keine der im Wiener Gemeinderat vertretenen Oppositionsparteien auf explizite Nachfrage der Finanzstadträtin eine sofortige Konvertierung der offenen Fremdwährungsschulden forderte.

6 Antworten zu “Die Fremdwährungskredite der Stadt Wien – Teil 2

  1. Danke auch für diesen Beitrag. Ich verstehe Deine Position vollkommen, finde aber die grundsätzliche Ablehnung von „Spekulation“ so nicht haltbar. Die Leute hören so etwas natürlich gerne (man könnte daher sagen: die Ansage ist populistisch), aber ohne Spekulation geht Politik nicht. Vorweg: Eine risikoaverse Finanzgebahrung halte auch ich vernünftig.

    Aber eine gewisse Menge an Spekulation steckt in jeder Kapitalanlage oder -aufnahme. Die Entscheidung einer Kommune, in Sonnenenergie zu investieren, spekuliert meist darauf, dass sich das rechnet (oder es ist enie politische Aktion, mit der man ein Zeichen setzen möchte, was häufig eine Spekulation auf Wählerwohlwollen beinhaltet). Wie man zB bei den Holzpellets sieht, kann man sich auch bei erneuerbarer Energie verspekulieren.

    Wenn WienGas Gasrohre saniert, spekuliert sie darauf, dass die Russen uns auch weiterhin bezahlbares Gas liefern und es auch in Wien ankommt. etc.

    Was die Frankenkredite angeht: Deren Aufnahme hatte natürlich ein starkes spekulatives Element, das keine gute Idee war. Das lässt sich im Nachhinein leicht sagen. Es war damals halt modern. Man könnte auch sagen: Die Frankenkredite nicht aufzunehmen wäre eine Spekulation auf fallende Eurokurse gewesen.

    Was die Aufgeregten meiner Meinung nach unzureichend würdigen ist der Unterschied zwischen dem Land Wien und den Häuslbauern (die so richtig in der Tinte sitzen): Die Stadt Wien muss die Frankenkredite auf absehbare Zeit nicht zurückzahlen. Der Zinssatz ist extrem niedrig, und Wien wird sich wieder und wieder in SFr refinanzieren können.

    Selbst wenn der Zinssatz steigen sollte, ist das so lange kein Problem, als es kein großes Delta zu den Euro-Zinssätzen gibt. Denn Wien hat ja das Geld nicht herumliegen, sondern müsste so und so neue Kredite aufnehmen: Entweder in Schweizer Franken oder in Euro (um diese dann in Franken zu wechseln). Was im Nachhinein billiger gewesen sein wird weiß ich auch nicht. Darauf kann man nur spekulieren. 🙂

  2. Pingback: Das Dilemma der Wiener Grünen | alwacker

  3. Also einen Fremdwährungskredit einer Kommune mit der Verlegung von Gasrohren für eine Kommune zu vergleichen halte ich schon für sehr weit hergeholt. Bei Investitionen von Solaranlagen befinden wir uns dann ganz und gar nicht mehr im spekulativen Bereich. Das kann man kalkulieren – und zwar sehr genau.
    Ja, lieber Martin es stimmt schon. Wien kann als Kommune diesen Kredit jederzeit verlängern und die Schuld wird nur schlagend, wenn sie auch zurückgezahlt wird. Dennoch hat sich der Schuldenstand praktisch über Nacht um 300 Millionen erhöht. Und damit die Bonität der Stadt um diese Summe verringert. Das bedeutet langfristig, dass um so mehr der Franken aufgewertet wird, Wien ohne eigenes Zutun höher verschuldet ist. Nun liegt es auf der Hand, dass die Schweiz auf die Geldpolitik der EU, besonders die geplanten Ankäufe von Staatsanleihen, reagiert hat. Die Gefahr die eigene Währung in eine nicht mehr beherrschbare Abhängigkeit des Euro zu bringen, von dem die Schweiz offensichtlich (und wahrscheinlich nicht zu unrecht) annimmt, dass es eine sehr weiche Währung wird, war nicht ganz unerwartet. Wer die Warnungen hören wollte konnte sie hören. Ein Umschulden wäre daher durchaus eine Variante gewesen, die man rechtzeitig andenken hätte können. Aber, und jetzt kommt’s, einfach jetzt zu behaupten, dass das eh nix macht und uns nicht tangiert, wie dies unsere Finanzstadträtin behauptet, ist einfach nur noch fragwürdig. Ich schätze Dich und Deine Meinung. Ich behaupte aber auch, dass ihr hier viel mehr Druck hättet ausüben müssen. Also können die Grünen, zumindest für mich, ihre Mitschuld daran nicht einfach leugnen. Es wäre spannend einmal mit Dir über die derzeitige Finanzgebarung der EZB zu diskutieren. Vielleicht ergibt es sich ja beim nächsten GR.

  4. Hallo Herr Mauthe,

    Selbstredend bin ich der Meinung, dass die Investition in Gasleitungen das vernünftigere Risiko ist, als ein Fremdwährungskredit. Keine Frage.

    Die Gasrohre sind allerdings nicht so eine sichere Investition wie man glauben möchte, weil der Zeithorizont enorm lang ist. Und desto länger der ist, desto weniger kann man die Entwicklung abschätzen. Liefern uns die Russen in 15 Jahren überhaupt noch das Gas? Und zu welchem Preis? Haben wir dann vielleicht ganz andere Enerquiequellen? Vielleicht wirds ja einmal etwas mit der Kernfusion… (Don’t hold your breath, wie man so schön sagt.) Fallen Gasleitungen vielleicht eines Tage weg, weil sie zum Ziel von Terroristen geworden sind? Oder es tritt vielleichz irgend etwas anderes ein, woran heute niemand denkt.

    Wien hat fast alle Schifffahrtskanäle eingestellt, die ehemalige Postkutschenstation in der Ungargasse ist längst ein Hotel, und auch die Rohrpost hat sich weitgehend aufgehört. E-Mail hat der klassischen P2P-Briefpost in kurzer Zeit den Rang abgelaufen. Die Energiewirtschaft war es, die den Begriff „Sunken Costs“ bekannt gemacht hat. Und die A1 kann ein Lied von abgeschrieben Milliardeninvestitionen in Kupfer singen. Den Erfolg des Handys hat so niemand vorhergesehen.

    Auch die Solarzellen kann man nicht so genau berechnen. Wer kennt schon den Strompreis in zehn Jahren? Ob die Förderung noch etwas wert ist? Ob vielleicht plötzlich eine Steuer auf den selbst verbrauchten Solarstrom verrechnet wird? (Eine absurde Idee, auf die in Österreich niemand kommen würde, gell?)

    Kleinere Investitionen, wie zB Unkrautjätboote, die dann nutzlos waren, gibt es in Wien sonder Zahl. Oder um viele Millionen gegrabene Tunnels, die seit Jahrzehnten ihrer Verwendung harren. Für die hatte man natürlich Pläne, aus denen wurde dann aber nichts. Man hat sich also verspekuliert. Das passiert leider.

    Der Punkt ist der: Zwischen „böser Spekulation“ und „vernünftiger Investition“ gibt es, ex ovo, keine klare Grenze. Nicht umsonst setzen große Unternhemen bei ihrer Risikoabschätzung auf Varianten von Montecarlosimulationen. Bei diesen hätte aber auch ein Frankenkredit gut abgeschnitten.

    MfG
    Daniel AJ Sokolov

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