Gezielte Wahlmanipulation oder einfach nur Zufall – die SPÖ und die Wiener Volksbefragung (Teil 5)

Glücklicherweise war es nur eine Volksbefragung. Die Fragen nicht wirklich umstritten, kurz gesagt außer Spesen nichts gewesen. Es bleibt ein schaler Nachgeschmack, der deutlich auf Problemfelder der Briefwahl hinweist. Ohne Veränderung der gegenwärtigen Rechtslage, steht die Tür zur gezielten Wahlmanipulation sperrangelweit offen.

„Taktisches Nachwählen“ als Massenphänomen. Die Anzahl hat selbst die schlimmsten Befürchtungen weit übertroffen. Noch eine Woche länger und die 50% Marke wäre geknackt worden.

Am Wahlabend spricht die SPÖ von einer Beteiligung von 24%. Dienstags – drei Tage später sind es 26%. Jetzt beginnt die wundersame Vermehrung. Donnerstags, 18.2. bereits 30 % – am Freitag  werden nochmals 5% draufgelegt. Schlußendlich sind es 36 Prozent.

Gezielte Manipulation oder einfach nur Zufall? Schwer zu sagen. Fest steht, rund 100.000 Stimmkarten (ein knappes Viertel) sind erst ab Mittwoch (vier Tage nach Wahlschluß) bei den Wahlbehörden eingetroffen. Im Normalfall bedeutet dies, der weitaus größere Teil wurde erst nach Wahlschluß abgegeben. Da bedarf es keiner großen Verschwörungstheorie um glaubhaft zu vermuten, Zehntausende Stimmzettel wurden nicht nur verspätet zur Post gebracht sondern auch ausgefüllt.

Die Frage, die sich aufdrängt, weshalb? Eine einfache Antwort gibt’s nicht. Mit Ausnahme der ‚U-Bahn rund um die Uhr‘ war alles entschieden.  Und selbst diese hat die WienerInnen nicht in eine polarisierende Auseinandersetzung getrieben, sondern eher in die Haltung ‚was kommt, das kommt‘. Einzig die Sozialdemokratie war ob der geringen Beteiligung eher mäßig zufrieden. Möglicherweise gab’s den Versuch etwas nachzuhelfen, vielleicht hat auch ‚Österreich‚ motiviert, vielleicht ging’s um ein Austesten der Mobilisierungsfähigkeit. Ob schlussendlich wirklich in Altpapiercontainern gefischt wurde, die Telefone der Bezirkssekretariate heiß liefen oder es sich doch nur um eine Ansammlung von Zufälligkeiten handelt wird nie geklärt werden. Grund zum Handeln ist es allemal.

Wie gesagt – es war glücklicherweise nur eine Volksbefragung. Doch stellen wir uns vor es wäre Wahlabend. Acht Prozent der gültigen Stimmen bilden ein vorläufiges Endergebnis. Zwei Tage später gibts eine neue Hochrechnung und noch immer fehlt ein Drittel aller Stimmen. Ein Drittel, dass eben erst ausgefüllt und in den Briefkasten geworfen wird. So kanns nicht gehen.

Doch die Wiener Volksbefragung ist nicht die einzige Briefwahl dieser Tage. Auch die Wiener Wirtschaftskammerwahl findet Ende dieser Woche ihren Abschluss. Mit einer deutlichen Schlagseite Richtung fraktionell organisiertem Wahlbetrug. Jeder kann (geschieht meist unter dem Deckmantel ‚Serviceleistung‘) eine Wahlkarte für wildfremde Menschen beantragen. Und wenn der Postler diese bringt laufen die Fraktionen hinterher, um den- oder diejenige dazu zu bewegen, die Wahlkarte doch gleich wieder abzugeben. Selbst das Ausfüllen, wird von den schwarz-rot-blauen WahlhelferInnen übernommen. Das schlimmste daran: Wirtschaftsbund, Wirtschaftsverband sowie der Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender finden das ganz normal.

Diese Art der Briefwahl tut der Demokratie nicht gut, sie höhlt sie aus. Von der Aufweichung des Wahlgeheimnisses bis hin zum taktischen Nachwählen. Eine hohe Wahlbeteiligung ist wichtig – aber sie ist nicht alles. Vor allem jedoch – es gäbe auch andere Möglichkeiten, wie z.B. der Einführung zusätzlicher Wahltage.

Jedenfalls sollte aber für die Briefwahl gelten. Nach Wahlschluß ist Schluß. Was nicht bis zum Wahlabend bei der zuständigen Wahlbehörde einlangt, wird auch nicht gezählt (gilt z.B. in Oberösterreich).

Für die nächste Landtagssitzung (26.3.2010) werde ich daher eine Änderung der Gemeindewahlordnung beantragen.

*****

ganz ähnlich blogt auch georg günsberg, auf dessen beitrag ich gerne hinweisen möchte

http://guensberg.wordpress.com/2010/02/22/wienwolltswissen-ein-taktischer-sp-erfolg-mit-demokratiepolitischem-kollateralschaden/

5 Antworten zu “Gezielte Wahlmanipulation oder einfach nur Zufall – die SPÖ und die Wiener Volksbefragung (Teil 5)

  1. Danke für den Link, Martin. Hab dein Freitags-Posting erst jetzt gesehen. Du hast die meisten Punkte bereits angesprochen.
    Wäre enorm wichtig, auch in Wien die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit ein derartiger potentieller Missbrauch der Briefwahl nicht passieren kann.

  2. Ich pflichte Ihnen zu 100% bei. Dieser gefährlichen Unsitte muss entschlossen entgegen getreten werden.

  3. Ich kann mir gut vorstellen, dass die knappe Ablehnung der Nacht-U-Bahn manchen ein Ansporn war, die Wahlkarte nachträglich auszufüllen und einzusenden. Allerdings wundert es mich auch überhaupt nicht, dass die WahlkartenwählerInnen der Nacht-U-Bahn positiver gegenüberstehen als jene, die ihre Stimme in einem Wahllokal abgegeben haben, da ich demographische Unterschiede erwartete. Ich bin allerdings auch froh darüber, dass es die Möglichkeit der Briefwahl gibt.
    Für das, was gerade bei der WK-Wahl läuft, sollte es einen Straftatbestand geben.

  4. taktisches Wählen bei JA/NEIN Fragen find ich einen Blödsinn, weil bei Ja/Nein Fragen lässt sich schwer taktieren. Ganz anderes sieht das bei multiple Choice fragen aus, wie NR Wahl, wo sehr wohl taktiert werden kann.

    ich glaube das es keine Person gegeben hat die aufgrund einer „nachträglichen Wahl“ jetzt anderes gestimmt hätte als vorher.
    Natürlich finde ich es nicht sehr klug Ergebnisse zu veröffentlichen bevor die Wahl noch nicht abgeschlossen ist. Ob dies den Ausgang der Wahl beeinflusst hat wage ich zu bezweifeln

    Die Vorveröffentlichung hat vielleicht zu einer größeren Mobilsierung geführt. Nun sollte man sich aber Fragen, ist es nicht demokratischer wenn mehr Leute ihre Stimme abgeben?

  5. Das schreibe ich am 3.März 2013: der obige Kommentar von Martin Margulies aus dem Jahr 2010 ist sehr vernünftig – und ist für die heurige „Volksbefragung“ genauso zutreffend. Nur – diesmal sind die Grünen genau gegenteiliger Meinung, weil sie jetzt selber in der Stadtregierung sind. Ziemlich jämmerlich.

Hinterlasse einen Kommentar